Alexander Gümbel

KULTURSALON

-->

2013, Goethe-Institut Colombia.

Durante el año 2013 he participado en el Kultursalon del Goethe-Institut Colombia, un espacio de intercambios artísticos y culturales. Junto con otros 5 artistas colombianos y alemanes que residan en el respectivo país extranjero hemos compartido nuestras percepciones del mundo y del arte; de ese arte que se mueve entre Alemania y Colombia.

Elige un documento

Ein Samstag im Juni 
Ankommen in Kolumbien ist mehr als nur aus dem Flugzeug steigen; Ankommen ist ein Prozess der Land und Leute aufnimmt und mit seiner eigenen Geschichte verstrickt. Warum ich nach Kolumbien gereist bin wiederhole ich beinahe täglich in zahlreichen Taxis, die mich durch das Verkehrs-Chaos von Bogotá kutschieren – warum ich bis heute geblieben bin will ich in der folgenden Geschichte erzählen: 
 
Ein Samstag im Juni
 
Um 12 Uhr sollte unser Boot nach Timbiquí ablegen ... Wir sitzen auf dem Steg, es regnet und wir warten. Nicht etwa auf das Schiff, das liegt schon an der Mole, auch nicht aufs Laden desselben, alles ist soweit fertig – wer fehlt, ist der Steuermann. Da wir, bezüglich unserer Mission in Timbiquí (wir bereiten eine Tournee mit diversen Theater- und Tanzkompanien in der Pazifikregion vor) unter Zeitdruck stehen, mache ich mich auf, den Steuermann zu suchen. 
Schon am nächsten Kiosk, das sich in leuchtendem Rot und mit dem unverwechselbaren, schnörkeligen Schriftzug von Coca Cola von seiner Umgebung abhebt, finde ich den Bootsführer, Victor, der dort mit ein paar Freunden genüsslich eine Flasche Whisky leert. Als ich ihn wage nach einer möglichen Abfahrtszeit frage, antwortet er mir mit einem breiten Lächeln, das seine makellose weiße Zahnreihe offenbart und reicht mir die Whiskyflasche für ein, wie er sich ausdrückt, nichteinheimisches Gutachten. Ich verstehe das Angebot als eine Art Wiedergutmachung für die lange Wartezeit und zugleich als Eisbrecher, um eventuell die Sache mit der Abfahrt erneut anzusprechen und nehme einen Schluck aus der Flasche. 
Das Urteil fällt positiv aus, nicht dass ich mir viel aus Whisky mache, aber ich habe schon schlechteren geschluckt. Es knackt im Packeis und ich kann deutlich den Vorschub meines Anliegens spüren – noch einen Schluck – plötzlich sagt Victor, wir könnten jetzt ablegen. Na, darauf können wir noch einen heben! Ich nehme noch einen Schluck und laufe dann die Treppe zum Steg herunter, springe ins Boot, rufe Cabeto und Angela zu, dass es jetzt losginge und sichere mir den besten Platz – letzte Bank, rechte Seite. 
Zur großen Überraschung kommt Victor wirklich, wenn auch bedächtig, die Treppe herunter und mit ihm ein ganzes Volk, das langsam unser Boot füllt. Das Boot fasst 15 Personen, aber es scheint sich nur um eine „Gleitzahl“ zu handeln. Als Nummer 24 seinen Platz auf einem der Glasfiberbänke findet, werden langsam Stimmen laut, die an die Gefahren des offenen Meeres erinnern, und daran, dass wir immerhin eine Stunde auf demselben unterwegs sein werden. 
Wieder zeigt uns Victor seine weißen Zähne und nimmt noch einen Schluck aus der Flasche, die sich noch immer in seiner Hand befindet. „Die Frage ist doch nur, ob sich die Spitze des Bootes hebt, oder nicht?“ lacht er und schmeißt den Motor an. Langsam drückt Victor den Gashebel nach oben und die 200 Pferdestärken graben sich ins Wasser. „Na, wer sagt’s denn!“ ruft Victor uns zu, als sich der Bug zu einem Drittel aus den Wellen hebt.
Während wir uns langsam, durch zauberhafte Landschaften, den breiten Lauf des Flusses Guapi entlangschippernd, dem Stillen Ozean nähern, füllt sich der Himmel mehr und mehr mit geflügelten, Fischfressenden Lebewesen. Ich will zur Kamera greifen, um ein paar von ihnen für die, zumindest digitale, Ewigkeit und das in unserer Familie beliebte „spätere Bestimmen der Vogelarten“ festzuhalten, habe aber Angst vor dem ständigen Spritzwasser, was uns Passiere der letzten Bank in einer Art Dauerdusche reisen lässt, und stecke sie schnell wieder in meinen Rucksack. Gerade noch rechtzeitig, da Angela, die vor mir sitzt, in diesem Moment ihre Hand in die Wellen steckt, um zu sehen, ob das Wasser schon salzig ist. 
Das Ergebnis ihrer Neugier schlägt mir platschend ins Gesicht. „Ja, ist schon salzig – und Danke!“ sage ich lachend – Willkommen auf dem Stillen Ozean! 
Entweder isst man hier spät zu Mittag, oder es wird zum Kaffeetrinken Fisch gereicht, der wolkenlose Himmel ist jedenfalls mittlerweile – wie C&A zum Sommerschlussverkauf – mit, über ihrer Beute kreisenden, schrägen Vögeln gefüllt. Für die Vogelkenner möchte ich mich gern bemühen, die drei von mir identifizierten Hauptgattungen zu beschreiben. 
Also zum ersten sei die gemeine Ozeanente erwähnt. Eigentlich ganz ähnlich der Havelente, aber zum einen nicht braun, sondern eher schwarz – ein natürliches Vorkommen, das geht den Menschen wie den Tieren in dieser Region – und zum anderen mit sehr viel mehr Ausdauer, was das Fliegen anbelangt. Die zweite große Gruppe der Bewohner der Lüfte bildeten die Möwen, allerdings grösser, ein bisschen plüschiger und irgendwie dreckiger, graubraun, als die Möwen an der Spree. Vielleicht kommt man in der Beschreibung am nächsten, wenn man sich vorstellt, eine Lachmöwe hätte zusammen mit einem Albatros ein Ei gelegt. Der Herr des Stillen Luftraumes war jedoch der „pazifische Pelikan“, der sich vom gemeinen Pelikan hauptsächlich durch das Fehlen seiner Fischtragetasche am Schnabel und erneut seinem graubraunen Gefieder unterscheidet. 
Und jetzt nichts wie ran an Gzimek’s Grosses Tierlexikon, meine lieben Leser. 
Derweil ich all dies beobachte, schlägt unser Bug a-rhythmisch und hart auf der Wasseroberfläche auf, stinkt es hinter mir nach Benzin und immer wieder kreist der Whisky zwischen den Rittern von Victor und seiner Tafelrunde. Wie ich in den Kreis seiner Getreuen geraten bin, kann ich mir nicht wirklich erklären, aber im völlig durchnässten und durchgerüttelten Zustand, in dem ich mich mittlerweile befinde, tut das schottische Gesöff seine Wunder und eines ist sicher, ich gehe aus diesen Tagen mit sehr viel mehr Trinkfreunden hervor, als Cabeto und Angela zusammen – und das ist bei logistischen Fragen in dieser Region nicht ohne Wert. Nach einer knappen Stunde entlang der Küste gen Norden, biegen wir nach rechts in eine kleine Flussmündung ein – der Fluss Timbiquí, der sich im gelb-orange farbigem Licht der Nachmittagssonne, von Palmen links und rechts gesäumt und mit vereinzelten Holzhütten an seinem Ufer, als anheimelndes und romantisches Paradies präsentiert. 
Abgesehen von seiner paradiesischen Lage, befindet sich Timbiquí in einer tiefen Krise. Als Opfer des tropischen Winters, haben uns die Nachrichten der letzten zwei Wochen von schweren Überschwimmungen und einer Typhusepidemie, die selbst vor dem Bürgermeister nicht innehielt, berichtet. Die Bilder vom „Venedig des Pazifik“ waren eindrucksvoll und mein Gedächtnis ruft sie wieder wach, als wir gegen 4:30 Uhr am Hauptsteg anlegen. 
Bevor wir den Bürgermeister aufsuchen, verspüren wir alle das Bedürfnis, uns frisch machen zu wollen. Wir richten uns in einem der zwei kleinen Hotels am Marktplatz ein, Cabeto und ich teilen uns ein notdürftig gesäubertes Kämmerchen, derweil Angela sich für eine viertel Stunde in ihre Einzelsuite verabschiedet. Als ich den Hahn unserer Dusche aufdrehe, verlässt ein Schwarm Kakerlaken fluchtartig den Abfluss, scheint sich hier aber bestens auszukennen, und so verschwindet eine Kakerlake nach der anderen, ohne großes Aufsehen zu erregen, in einer der dafür vorgesehenen Ritzen der Wandfliesen. 
Der Herr Bürgermeister ist etwas dicklich, untersetzt, mit einem bauschigem Schnurrbart und scheint bei sehr viel besserer Gesundheit, als ich mir das Opfer einer Typhusepidemie vorgestellt hatte. Nachdem er uns freundlich in der Eingangshalle begrüßt, führt er uns ins Innere seiner Machtzentrale, ein kleines Büro, lässt uns Platz nehmen und bestellt Wasser in Flaschen. Das Büro, in einem der wenigen zweistöckigen Steinhäuser des Ortes, lässt den Status des hiesigen Majestix erahnen. In diesen Tagen scheint es jedoch eher als Denkmal für die gravierenden Schäden der Flut zu dienen. Von den einst weiß gestrichenen Decken und Wänden lacht uns in großen Flecken, freundlich grün der Schimmel an, und die Aktenordner, von der vorletzten in die letzte trockene Ecke gestapelt, bilden gemeinsam mit Töpfen und Eimern fürs Tropfwasser eine, man möchte sagen, bizarre Bürolandschaft. 
Wir erzählen dem Bürgermeister kurz, was wir in Timbiquí zu tun gedenken, wobei selbst Cabeto versucht, mit wenigen Worten auszukommen – ob das an der Krisensituation Timbiquis oder am misslungenen Zusammentreffen mit dem Bürgermeister Guapis liegt, ist schwer zu sagen. Der Bürgermeister erklärt uns aufrichtig, dass derzeit ca. 1.500 Einwohner des Einzugbereiches von Timbiquí kein Dach über dem Kopf haben, und er sich daher weiß Gott nicht um die Unterkunft von 20 Schauspielern und Tänzern kümmern kann. Er verspricht uns dennoch, die Versorgung der Gruppen zu organisieren und stellt uns seinen fleißigsten Mitarbeiter, Augusto, den „geborene Künstler des Dorfes“, wie er ihn nennt, für logistische Fragen zur Verfügung. 
Als wir vom Bürgermeister in den Flur zurückgeführt werden, warten dort schon zwei medizinische Ingenieure auf eine Audienz, um über das Einrichten einer mobilen Krankenstation zu sprechen. Wir werden kurz vorgestellt, unnötigerweise, da auch die beiden Ingenieure zu Victors getreuen Tafelrunde gehörten. Dass die medizinische Versorgung ein weitaus heißeres Thema für den Bürgermeister darstellt, ist augenscheinlich, und umso dankbarer für seine Zeit, sein Interesse und seinen Beitrag zum Projekt verabschieden wir uns für heute.
Der „geborenen Künstler Timbiquís“ scheint einem anderen Film entsprungen zu sein, oder aber er tut nur so komisch, um bei Gelegenheit von Hollywood entdeckt zu werden. Man stelle sich vor: Danzel Washington hätte damals die Rolle von Forest Gump gespielt. Ein stämmiger Schwarzer mit Hawaiihemd, welches in die über dem Knie aufhörende Bügelfaltenhose gesteckt ist, weiße Tennissocken und festes schwarzes Schuhwerk. Dazu ein leicht gebeugter, tänzelnder Gang, X-Beine und die Hände, in „Spaziergang-Denker-Pose“, hinterm Rücken vereint. So bleibt uns nicht verborgen, was das lokale Bild eines Künstlers ausmacht. Neben Augusto begleitet uns noch Diego, ein reizender älterer Mann, weniger „Künstler“ – mehr normal! 
Auf unserem Spaziergang gibt es hinsichtlich unseres Projektes nicht viel zu sehen – zwei mögliche Spielstätten – eine, das Minifussballstadium, eventuell für die HipHop Gruppe, und die zweite, die verlassen wirkende Aula der örtlichen Schule. Es gibt eine Lautsprecheranlage und Steckdosen, das ist schon alles, was uns mittlerweile interessiert; man passt sich halt an die örtlichen Begebenheiten an! 
Auf dem Rückweg entschließe ich mich für einen timbiquianischen Kahlschlag, einmal Kopf und Bart rasieren. An Fenster und Tür des Friseursalons bilden sich bald Grüppchen von Schaulustigen, die, wie ich, mit Vergnügen den vereinzelten blonden Haarstoppeln zugucken, die auf den, den Boden des Salons bedeckenden, Teppich von schwarzem Haar fallen. Mit jedem Stromausfall und der damit verbundenen Dunkelheit trage ich eine Schnittwunde am Kinn davon. Mein Gesicht dient danach kaum als Advokat für die Zuverlässigkeit der Stromversorgung bezüglich unserer Theateraufführungen. 
Mir ein Tempotaschentuch ans Kinn haltend, treffe ich mich mit Angela und Cabeto zum Abendbrot im einzigen Restaurant des Dorfes. Kurz darauf beginnt es zu regnen, es regnet ... & und regnet ... & und ...

Und wenn der umfallende Baum nun doch keinen Krach macht, solange Keiner in den Wald geht …?

<img width="400" height="197" src="Kultursalon/ks-entr2.jpg">
 
Foto:
Aus dem Stück: „Brothers of Death“
London, 2003
 
Wohlwissend, dass das Thema, welches ich hier anspreche, eine lange und hitzige Debatte nach sich ziehen kann, behaupte ich, dass die größte Herausforderung der Bogotaner Kunstszene die Frage um das Publikum ist. Macht denn all unser Mühen, unsere Reflexionen, unsere Ideen überhaupt einen Sinn, wenn wir im Endeffekt den Zuschauerraum mit ein paar treuen Freunden und Freikarten füllen? Erwarten wir wirklich auf Dauer, von einer Aktivität leben zu können, die fortwährend finanz- und kommunikationstechnische Misserfolge produziert?
 
Die Frage, warum das Publikum ausbleibt, ist natürlich nicht neu: es fragt sich der frustrierte Schauspieler, der um seine Miete bangt, da er ja auf Abendkasse spielt, es fragt sich der Regisseur, weil er glaubt, es hätte etwas mit seinem Stück zu tun, es fragt sich der Theaterproduzent, weil er meinte in „Facebook“ nun endlich den Schlüssel zum Glück in der Werbestrategie gefunden zu haben. Und da sich so viele Menschen fragen, gibt es auch ganz viele Antworten. Die Einen meinen, dass es mehr Fördermittel vom Staat für die Künstler geben muss, sicherlich richtig, aber es schiebt den finanziellen Misserfolg nur auf eine andere Ebene. Andere kritisieren zeitgenössischen Tanz und Theater für das Handhaben einer Sprache, die nur Spezialisten zugängig ist, ein müßiger Versuch dem Thema gerecht zu werden, weil er a) dem Publikum seine Lektorenkompetenz versagt und gleichzeitig davon auszugehen scheint, dass das Publikum keine Probleme hatte, 16 Pirouetten im klassischen Ballett zu interpretieren und b) uns selbst als zeitgenössische Künstler in Frage stellt. Wiederum Andere sprechen von zu schweren Themen, die Kolumbianer wollen sich amüsieren, es fehlt uns an Produzenten, der Verkehr auf den Straßen lässt kein pünktliches Erscheinen zu, es regnet zu viel, es gibt keine Parkplätze, die Zeitung druckt keine Kritiken, das Twitternetz ist nicht dicht genug, etc.
 
Ich glaube, all diese Betrachtungen haben ihre Berechtigung, aber es sind alles nur Nebenschauplätze, kollaterale Beweggründe, dem Theater fern zu bleiben. Aus meiner Sicht lässt sich die Publikumsfrage auf ein einziges Problem reduzieren: der Kunstkonsum gehört bis heute nicht in den kolumbianischen Katalog der Lebensnotwendigkeiten und ist daher sowohl in finanzieller Sicht als auch in Fragen der Freizeitgestaltung ein Luxusgut, das entweder gar nicht in der Planung vorkommt, oder sofort gestrichen wird, wenn etwas „Wichtiges“ dazwischenkommt. Ich will an dieser Stelle gar nicht lange auf das nackte Überleben eingehen, aber wenn eine subventionierte Theaterkarte den Tagessatz eines gemeinen Arbeiters kostet, dann wird dieser sich gut überlegen, ob er mit Frau und drei Kindern in die Samstagvorstellung kommt oder nicht. Auch gibt es zeitliche Bedenken, mich hat einmal ein Büroangestellter gefragt, wann man denn so etwas wie Theater überhaupt sehen kann. Bei einer Sechstagewoche und Bürozeiten, die sich bis 7:30 Uhr ausdehnen, ist für Viele ein Theaterbesuch am Freitag um 8 Uhr unvorstellbar.
 
Aber das Ändern der Arbeitsbedingungen kann nicht wirklich eine konkrete Herausforderung des Kunstsektors sein, wenden wir uns daher anderen Betrachtungen zu. Es gibt nämlich neben Mittagessen und Miete zahlen noch weitere Lebensnotwendigkeiten, die viel mehr den Nerv unserer Frage treffen. Prestigeobjekte wie SUV’s zum Beispiel, die man in diesem Land jedem Kleinwagen vorzieht, die Schulbildung der Kinder, die den Weg der Sprösslinge von Klein auf in gewisse soziale Gruppen garantiert und die sich ein Großteil der Kolumbianer oft unter großen Schwierigkeiten vom Mund abspart, und nicht zuletzt der Familienzusammenhalt mit all seinen Anlässen zum Feiern, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen darf. Auch wenn mir das Denken in einer Klassengesellschaft fern ist, will ich weder den Jeep, noch die Privatschulen und schon gar nicht die Familie anschwärzen, ich versuche an dieser Stelle nur Beispiele zu finden, die eine andere Qualität von Lebensnotwendigkeiten aufzeigen.
Wenn die Kunst in einen solchen Katalog aufgenommen werden will, dann geht das nur unter zwei Bedingungen, erstens, dass die Zuschauer, wenn sie ins Theater gehen, eine Erfahrung machen, die etwas in ihnen anregt, die sie in ihren Alltag mitnehmen, vielleicht nicht für sehr lange, aber es muss einen Verbindungsmoment geben, zwischen dem Besuch des Schauspiels und dem was sie tagtäglich umgibt, und zweitens muss diese Erfahrung regelmäßig gemacht werden, das Verbinden der Kunst und dem Alltäglichen muss wie ein Muskel trainiert werden. Die drei oben genannten Beispiele für Notwendiges sind alles tief verwurzelte Strukturen im sozialen Gefüge, da kann man schwer davon ausgehen, dass ein netter Tanztheaterabend einmal im Jahr das Verhalten unseres Publikums auf Dauer verändert.
 
An der ersten Bedingung können wir als Künstler jeder allein arbeiten, aber es geht dabei nicht um das Infrage stellen unserer Sprache oder der Themen, die wir ansprechen, sondern um die Frage, ob wir es schaffen, in unserem Gegenüber etwas zu bewegen, ihn zu berühren. Die zweite Bedingung geht uns als Sektor an, weil es hier um das Schaffen von Programmen geht, die ein einzelner Choreograf oder Regisseur gar nicht entwickeln kann. Ob der Weg zum Erfolg über subventionierte Freikarten, oder aber über das Entwickeln von Kunstprogrammen an Schulen führt, das sind Fragen, die uns beschäftigen sollten, wenn wir uns der Herausforderung stellen wollen, ein solides Publikum für das Theater in Bogotá zu schaffen. Eines dürfte an dieser Stelle schon deutlich werden, der Weg scheint weder kurz noch einfach zu werden.

Sobre Jorge el curioso y porque los niños quieren matar a los monstruos. 
<img width="400" height="197" src="Kultursalon/entrega5-1.jpg">
 
Foto:
“El Silencio cae de los Arboles“ (2012)
Coreografía: Jorge Puerta
 
En contraste con la historia de Stephanie, la felicidad de mi obra NO son los niños. A pesar de que me gusta pasar mi tiempo libre jugando con niños - siempre y cuando el tamaño del grupo sea manejable y los ‘enanos’ no entren en la fastidiosa auto-dinámica de “matar el monstruo” (adulto, o sea, yo) – en mi trabajo no me gusta hacer proyectos con niños y lo que realmente odio es la oferta teatral para niños. Seguramente es injusto generalizar sobre todo el teatro infantil y menos quiero perturbar los sentimientos de aquellos que seriamente se preocupan por los chiquillos. Hablo sobre grupos de actores metidos en vestuarios de color fluorescente, el gordo del paseo con un cojín bajo de la camisa, caminando como los teletubbis, hablando con la voz de Alfred J. Kwak y acompañando cada frase con una mímica como si estuvieran jugando ‘Activity’ en el escenario. De los niños se esperan carcajadas de la risa, expresiones colectivas como “Ooooooh” y “Aaaaaah” y a veces instrucciones claras para los actores torpes como “¡Cuidado!”. Cuando los niños rehúsan esta dinámica, se tienen que aguantar la pregunta malhumorada: “Ya se durmieron, ó que?”, lo cual les obliga a contestar con un largo “Nooooooooooo” y de nuevo ganaron los payasos el partido. 
Niños con ojos sensibles a una gama de colores más amplia, que disfrutan lo orgánico del movimiento humano y que no necesitan una traducción visual de cada estímulo que ya entró por el oído, encuentran pocas alternativas en el mundo teatral desde que hasta los 8 años no pueden entrar a obras ‘no-infantiles’. Un círculo vicioso, primero los exigen gritar tonterías para manifestar su atención y después nadie les cree que pueden divertirse en una obra sin interactuar con los actores. ¡No es nada extraño que quieran “matarnos a nosotros, los monstruos”! 
Ahora bien, existen niños con palanca y uno de ellos es mi hijo que tiene la posibilidad de ingresar a cualquier obra teatral porque papi lo entra. En septiembre del año pasado tenía el gran placer de trabajar junto con el bailarín y coreógrafo Jorge Puerta en una obra llamada “El Silencio cae de los Arboles”. En la publicidad de la obra dice: 
 “Esta creación de Danza- teatro, ha buscado darle formas al vacío de descubrirse solo en experiencias como caer , ir y rebotar en el fondo, el no saber, la insatisfacción, la ansiedad ... y en medio de éstas, simplemente vivirse y vivir. Todo esto que suena un tanto abstracto es el motivo de inspiración, y los espectadores están invitados a vivir una experiencia escénica poética y existencial desde lo que pueden hablar los cuerpos en movimiento, en un paisaje creado con árboles y sus raíces como metáforas de experiencias vitales que no siempre se pueden nombrar con palabras.”
 
En este momento no quiero juzgar el esfuerzo de plasmar una obra de danza contemporánea en palabras para un comunicado de prensa, pero creo que estamos de acuerdo en que el texto no está escrito para animar niños ó jóvenes. Al contrario la obra sí contó con este potencial, solo había el pequeño problema con la entrada. 
 
<img src="Kultursalon/entrega5-2.jpg">
 
Después de la obra, Anton (mi hijo de 4 años y medio) estaba muy emocionado y me pidió ver la obra de nuevo la noche siguiente. Habló de las diferentes escenas, de los perros y camellos, de los arboles volando, de las caídas y las recuperaciones. Le pregunté si la danza no le pareció un poquito triste y con una frescura para desarmar a cualquiera me contestó: “¡Alex, la obra no es triste – la obra es más bien melancólica!” En este momento me di cuenta cuantas veces estamos subestimando la capacidad de percepción de los niños; de pronto no todos los ‘enanos’ se expresan tan precozmente pero estoy seguro que todos perciben de esta manera. No quiero negar el valor de un programa infantil y admito que un libro de Pipi Calzaslargas ofrece más diversión que Hamlet, a lo que me refiero es el respeto con que tratamos al público infantil y su potencial de engranar con situaciones y sentimientos mucho más complejos que “Bing” - “Bang” – “Aua”.
 
Anton también dijo otra cosa sobre la pieza de danza; le pareció poco llamativo el título de la obra y sugirió: “Yo llamaría la obra mejor: Jorge el curioso!” (del libro infantil: Curious George). La última prueba de que NIÑOS SIGUEN SIENDO NIÑOS! Así que yo sigo haciendo arte para adultos – y gracias Jorge, por esta colaboración tan bonita!
 
<img src="Kultursalon/entrega5-3.jpg">

Entre la Guerra y la Paz pasaremos por un largo Presente de Reparación.
 
El hombre es un ser político y el artista como ser humano participa directa o indirectamente en la actividad política, eso declaró Aristóteles, pero a pesar de que considero soy un artista interesado en cuestiones políticas, pocas veces me he encontrado en un proceso de creación artística con tanta relevancia, intervención y a su vez polémica política como el de "INXILIO: El Sendero de Lágrimas" para el día de las victimas el pasado 9 de abril en Medellín. “INXILIO” nace en el año 2010 como respuesta a una invitación del poeta William Ospina dirigida a El Colegio del Cuerpo para conmemorar el Bicentenario de la independencia colombiana. Álvaro Restrepo y Marie France Delieuvin, como directores artísticos de El Colegio, deciden rendir un homenaje a las personas que han sufrido el flagelo del desplazamiento en Colombia, así que la obra montada con más de 150 heridos del conflicto armado, 40 bailarines y 80 músicos en vivo, reverbera los caminos de un 10% de la población colombiana que avanza por senderos que no les pertenece, sin historia, sin territorio, desplazados de sus lugares de origen por una guerra siniestra.
 
<img src="Kultursalon/foto8_1.jpg">
 
INXILIO: El Sendero de Lágrimas 
fotos: Allaeddin Twebti 
 
Cuando me uno al proyecto, en el año 2013, el contexto socio político del país ha cambiado. En 2011 el gobierno de Colombia adopta la ley de las victimas, la Ley 1448; en el sentido del Papa Pablo VI: “Si quieres paz, lucha por la justicia” (1967), se entiende que sobre la paz no se puede hablar, la paz es un camino, es una condición a la cual el país quiere llegar a través de la justicia. Así la Ley 1448 de las victimas propone la reparación económica y moral como primera medida para conducir a una justicia y atacar la desigualdad social. Entre otros, el decreto reglamentario 4800 establece medidas de satisfacción, entre las que se destaca la realización de actos conmemorativos en los que se reconozca, repudie y se pida públicamente perdón a las víctimas por las conductas que involucren graves violaciones de los Derechos Humanos. 
 
Con el fin de conmemorar el Día Nacional de la Memoria y Solidaridad con las Víctimas en Medellín, Antioquia – por ser el departamento con el mayor porcentaje de victimas registradas en el país - la Unidad para la Atención y Reparación Integral de las Víctimas invitó a El Colegio del Cuerpo para remontar la ceremonia “INXILIO” y presentarla frente a un público de 4.000 mil espectadores en presencia del Presidente de la República y varios Ministros de su Gobierno. 
 
<img src="Kultursalon/foto8_2.jpg">
 
INXILIO: El Sendero de Lágrimas 
fotos: John Cárdenas Orrego (Medellín)
 
La obra presenta tres momentos distintos: “El sendero de las lágrimas” inicia con la poderosa imagen de una niña pequeña cruzando un vacío de una dimensión que parece tragársela, sin embargo, la niña camina firme, lleva la luz a la oscuridad, hace habitable un terreno que parece de nadie. Atrás de ella entran los protagonistas de la ceremonia, casi 200 personas entre víctimas y bailarines en 6 filas formando un rio de heridos sin fin; acompañada por llantos de un paisaje sonoro de Oswaldo Maciá, la entrada de las victimas está liderado por un ‘oficiante’ especial, el Presidente de la República decidió caminar el sendero de dolor, descalzo como los demás, sin guarda espalda como los demás, con el peso del conflicto armado encima como los demás, para recibir al final del camino una ‘carta al mundo’ de las manos de la niña precursora. Este aparentemente sencillo acto simbólico dejó en mí, como participante y espectador, un escalofrió y la extraña sensación de una esperanza profunda. 
 
El Presidente también participó en el segundo momento de la obra “El círculo de la palabra”; en el centro del escenario aparece un círculo con un diámetro de 10 metros formado por 12 representantes de diferentes comunidades sentados en butacas de madera. En el sentido de reloj del 1 al 11 sucesivamente se paran y caminan hasta el centro del círculo para contar su historia relacionada con su condición de víctimas, reflexionar sobre el significado del territorio, de la reparación, de la justicia como conductor hacia la paz y manifestar su voluntad del perdón. El número 12 no habla, es el Presidente de la República que completa la rueda y que en representación de la sociedad colombiana decide no dirigir su palabra sino escuchar en silencio a sus compatriotas. Cada vez que uno de los palabreros frente al Presidente manifestó: “¡Estamos dispuestos a perdonar!” se me formó un nudo en la garganta y solo me puedo imaginar la fuerza que un Presidente necesita para un gesto de humanidad tan grande. 
 
La tercera parte es la interpretación de la Sinfonía No.3 - “La sinfonía de las lamentaciones” del compositor Henryk Górecki por la orquesta sinfónica EAFIT con la preciosa voz de Sarah Cullins, mientras tanto en el escenario se despliega una coreografía de lamentos y conflicto, los bailarines se caen y se levantan, forman un colectivo y se dispersan en una noción de soledad, pujan, arrojan la toalla, resisten y de nuevo se encuentran aislados. Al mismo tiempo el espacio parece orgánico y la masa de oficiantes victimas es ubicua transformando a través de sus recorridos permanentemente la condición espacial para los bailarines. La ceremonia termina con los oficiantes subiendo a las graderías, dejando el espacio vacío, sin embargo, no es el mismo espacio de antes, las victimas dejaron huellas, dejaron huellas en el polvo de ladrillo que cubre todo el piso del polideportivo, dejaron huellas en la mente de los espectadores, dejaron huellas sobre el sendero de la Paz encaminado en Colombia.
 
<img src="Kultursalon/foto8_3.jpg">
 
INXILIO: El Sendero de Lágrimas 
fotos: John Cárdenas Orrego (Medellín)
 
Durante el proceso de montaje se generaron polémicas alrededor de tres preguntas relacionadas con el contexto socio político de la ceremonia, ¿cuánto dinero se puede invertir en la reparación simbólica frente a los problemas económicos para cumplir con las reparaciones materiales?, ¿cómo podemos más allá de la Ley 1448 definir quién es victima y quién no, para dar justicia a todos los actores de este conflicto?, y ¿se pierde, o no, el estatus del arte como catalizador crítico en un conflicto con la presencia del Presidente de la República en el escenario? Debo advertir que ni el marco de esta plataforma virtual ni mi nivel de conocimiento en relación con procesos políticos permiten plantear una respuesta satisfactoria a estas preguntas. Sin embargo, quiero desde la misma experiencia de ser parte del equipo humano de INXILIO compartir mis reflexiones e inquietudes sobre las dichas polémicas. 
 
La preocupación por la reparación es clave, no solo por el contexto de la Ley 1448, sino también porque el montaje se realiza con y alrededor de gente que sufrió en carne propia las consecuencias del conflicto en Colombia, que perdió familiares en masacres, que perdió su territorio por el desplazamiento, que perdió su esperanza y su fe en los procesos políticos de este país. De ahí ya debemos cuestionar el uso de términos como ‘simbólico’, en su significado de representar una cosa. El acto de reparar no puede ser representativo sino tiene que concentrarse en las necesidades de cada uno de las victimas, es en cierto modo un proceso individual para dar un espacio de desahogo y construir un nuevo sentido. En la sesión de reflexión posterior a la ceremonia me impactó que los participantes no hablaron de una reparación material, recuerdo que se habló de dos términos: “No solo necesitamos indemnización económica sino reparación espiritual”. De pronto es porque viajé a Medellín justo después de Semana Santa pero todavía tenía las palabras de Jesús en la cruz en mi mente: "Mujer, aquí tienes a tu hijo... Aquí tienes a tu madre" – ¿podemos seriamente hablar de reparación, ofreciendo $10.000.000 COP por cada hijo desaparecido, por cada madre muerta? Durante el proceso de INXILIO se buscó construir un nuevo sentido de la comunidad, de partir desde un objetivo compartido entre todos, de unir a los aislados y darles visibilidad; una noción de reparación que concluye en comentarios como: “… se me quitaron tantas tristezas que sentí encima…”, “… siento que represento miles de agradecidos…”, “…ustedes cerraron heridas…”, “…sí, finalmente nos sentimos vistos…”. Tenemos un largo camino por delante, esperamos que en este año se pueda firmar la paz pero una firma solo puede ser el comienzo de conciliar un país después de tantos años de violencia; para eso se debe reflexionar sobre el sentido que damos a la reparación, ¿a caso construir una nueva comunidad y así dar una meta común a los heridos del conflicto es más simbólico, y por lo tanto menos prioritario, que un pago de tantos millones por familiar perdido?
 
<img src="Kultursalon/foto8_4.jpg">
 
INXILIO: El Sendero de Lágrimas 
fotos: John Cárdenas Orrego (Medellín)
 
He intentado en este artículo evitar al máximo el término ‘victima’ porque la polémica alrededor de su definición es fuerte y, al contrario de las cuestiones sobre la reparación, la pregunta de ¿quién es victima?, incendió varias discusiones controvertidas entre los mismos participantes de la ceremonia. La Ley 1448 define claramente la condición de victima y establece la conducta burocrática de declararse victima frente la ley, y dicho procedimiento parece tener un efecto particular en los que tienen su condición de víctima aprobada. Por un lado el proceso de la declaración parece ser muy largo y sin duda doloroso, así que el ‘título: victima’ no es fácil de obtener, por el otro lado la reglamentación de la Ley de Victimas tiende a reducir a indicadas personas a justo esta condición y les queda poco más para definirse. Estos dos factores pueden ser razón por lo cual hay una reacción sospechosa frente a cualquier otra persona que intenta ampliar el concepto del término e incluir a los otros actores de la sociedad en él. Una cosa es clara: existen muchas más victimas de lo que abarca la ley, pero antes de buscar dibujar la línea entre afectados y victimas debemos preocuparnos por el efecto desconfiado que produce un supuestamente proceso de paz. 
 
En relación con INXILIO y su conclusión final: “La Paz será la Ley” el diálogo sobre la definición de victima tiene que abrirse porque la ceremonia no es un aporte a la ley sino a la paz y por lo tanto no puede reducirse a la población señalada en el Decreto, como dice Álvaro Restrepo en una entrevista con El Tiempo: “La idea de la ceremonia es contribuir a entender que este drama de las víctimas del conflicto es algo que nos involucra a todos. La sociedad en conjunto es víctima de lo que ha pasado durante estas décadas”. De pronto nos vemos nuevamente confrontados con la problemática de cómo abordar el tema de la reparación, de cómo dar justicia a cada uno de los afectados de manera individual sin caer en la trampa de estigmatizar una población con la categoría de su condición.
 
<img src="Kultursalon/foto8_5.jpg">
 
INXILIO: El Sendero de Lágrimas 
fotos: John Cárdenas Orrego (Medellín)
 
Debido a la participación del Presidente de la República y, por lo tanto, a la transmisión del evento en directo en varios canales de televisión, me queda grabado el comentario de una de las participantes que nos saludó el día posterior a la ceremonia con lagrimas en los ojos y una gran sonrisa: “… no sabía que tenía talento internacional …”. Indudablemente el hecho de tener al Presidente metido en el escenario consiguió una visibilidad para el evento mismo que nadie había soñado en el momento de planear el montaje. Sin embargo, existe la incertidumbre de ‘arte y oposición’, de si o no la participación del Presidente resulta en una prostitución del arte para un acto político. Consiente del peligro de la repetición se debe aclarar que INXILIO desde su propia concepción es un acto político y un proceso real de reparación: “Esta pieza en particular tiene un sentido mucho más profundo en esa dimensión de ceremonia, porque estamos trabajando con las personas que han vivido en carne propia los estragos de la guerra. Es mucho más fuerte como hecho escénico” (A. Restrepo); si entendemos INXILIO como una ceremonia a través del arte en oposición a la guerra civil que causa estragos desde hace décadas en Colombia creo que es pertinente aceptar la participación de un Presidente que ha iniciado y sigue entregado al proceso de paz de su país. Seguramente hemos prestado una plataforma de buena imagen para la cabeza del estado y el gobierno actual de Colombia sabe aprovechar estos momentos, sin embargo, sobre todo la escucha del Presidente en el círculo de las palabras llegó más allá de dormir una noche en ‘las casas de vivienda gratis’ o sembrar una palma de cera en Bogotá, llegó más allá de preocuparse por su propia imagen. El hecho de guardar silencio, de escuchar, de no forrar el dolor expresado con un chorro de promesas abrió una puerta de diálogo entre una población con muy poca confianza y una política pública que parece querer comprender, una apertura pequeña que ojalá se convierta en la puerta principal de la reconciliación. Por ley, siendo el evento oficial de la Conmemoración del “Día Nacional de la Memoria y Solidaridad con las Víctimas”, el Presidente de la República tenía que estar presente, de hecho el protocolo original de la noche preveía el Presidente en las graderías y un discurso político después de nuestra ceremonia; así que cuando la presidencia pidió permiso para la participación del Presidente era justo el temor de los directores de El Colegio de Cuerpo de ser instrumentalizados. Creo que la humildad y solemnidad de su presencia con las victimas en el escenario ayudó a la percepción que INXILIO fue un acto con y para las victimas del conflicto armado y no una plataforma publicitaria para el Gobierno Nacional, como dice Álvaro Restrepo: “Todos sentimos la sinceridad de este acto de contrición y de dolor compartido, así como la responsabilidad asumida que le cabe al Estado por lo ocurrido, en cabeza de su Presidente”.
 
<img src="Kultursalon/foto8_6.jpg">
 
INXILIO: El Sendero de Lágrimas 
fotos: John Cárdenas Orrego (Medellín)
 
El hombre es un ser político y el artista como ser humano participa directa o indirectamente en la actividad política. La experiencia de participar como artista en INXILIO fue directa en tanto a involucrarse con el contexto socio político de este, y en cierto modo, mi país. Todas las sociedades se encuentran en permanente cambio pero siento que algunas transformaciones son más significativas que otras. Tenía la gran ‘suerte’ de poder vivir algunos de estos cambios, he pasado mi infancia en Alemania Oriental, he visto la caída del muro de Berlín, he vivido en Londres cuando se anunció el nuevo Milenio y ahora puedo vivir y participar en un proceso de paz en un país con una de las más largas guerras civiles vigentes del mundo. De pronto esto suena muy sensacionalista pero para mi tiene un significado distinto, como artista y ser humano estoy agradecido de poder vivir y participar en estas transformaciones porque son momentos estelares de la sociedad, son momentos en que el movimiento artístico se une más allá de cuestiones estéticas, para crear una relación imaginaria, una relación que más expresa una voluntad, conservadora, conformista, reformista o revolucionaria, incluso una esperanza o una nostalgia, que describe y transforma una realidad. Entre el pasado y el futuro nos encontramos en un largo presente de reparación y como comunidad artística podemos ayudar en plantear un discurso ojalá coherente que sirva de horizonte a lo “vivido”.
 
<img src="Kultursalon/foto8_7.jpg">
 
INXILIO: El Sendero de Lágrimas 
fotos: John Cárdenas Orrego (Medellín)
 
[La Unidad para la Atención y Reparación Integral a las Victimas ha publicado un documental sobre el montaje de INXILIO en Medellín producido por TeleAntioquia – para todos aquellos que quieren ver más imágenes y escuchar las voces de los protagonistas – “Reparar para Seguir #4”: <a href="kultursalon_v1.html" target="_blank" style="font-size:10px; color:white; text-decoration:none;">ver video</a>

Übers Dasein, Hiersein und Dort Sein
 
Wenn ich über meinen Alltag in der Bogotaner Welt nachdenke, meine ich festzustellen, dass all die anderen Artikel, die ich für diesen Blog geschrieben habe, schon irgendwie davon berichten, ja schon irgendwie dem Leser einen Blick in viele Alltäglichkeiten gewähren. Aber dann ist auf der anderen Seite ja grundsätzlich erst einmal die Frage zu stellen, ob ein Tagesablauf, der so wenig von Routine und Kontinuität bestimmt wird, den Ansprüchen eines „Alltags“ genügt? Vielleicht wäre es angemessener einen Artikel über das „Leben im Ausnahmezustand“ zu verfassen? Denn trotz vorsichtigen Bemühungen, meinem Tag eine gewisse Regelmäßigkeit zu geben, machen mir die Projekt bedingten Dringlichkeiten immer wieder einen Strich durch die Rechnung. 
 
Warum also überhaupt die Anstrengungen, den Tagesablauf in eine gesetzte Form zu drücken? Neben all den sicherlich sehr wahren Gründen in Bezug auf die Effizienzanhebung bei geregelten Produktionsprozessen, möchte ich einen Umstand hervorheben, der dem Kultursalon, in dem sich unser Leser gerade befindet, ganz gerecht wird; und zwar handelt es sich um das Bemühen einen interkulturellen Alltag zu kreieren. Ganz sicherlich kein einfaches Unterfangen, und in meinem Fall stand es auch lange nicht auf der Tagesordnung; es ist ja vielmehr so, dass man als Weltenbummler gern seinen Alltag über den Haufen wirft, um sich in allem Neuen zu verlieren, man springt irgendwo auf einen Dieselbus auf, anstatt den Fahrplan zu studieren, an jeder zweiten Ecke gibt es „Arbeitermittagstische“, wozu also der wöchentliche Gemüseeinkauf, der Kleiderschrank hat keine Winterabteilung mehr, wofür in die Rente einzahlen, wenn keiner sie ausgezahlt bekommt, und die Haushaltshilfe im Haus erspart das allabendliche Abwaschen, ...
 
<img src="Kultursalon/foto1-entrega9.jpg">
 
Ein Deutsch-Kolumbianisches Bücherregal
foto: archivo personal
 
... und dann kam mein Sohn auf die Welt! Das unstete Künstlerleben in der ‚Neuen Welt’ wird hinterfragt, man erinnert sich plötzlich an Werte eines längst verschütteten Daseins und am liebsten hätte man nun Alles genau so wie man es gewohnt war – oder noch schöner: so wie es zu sein hat! Es hat beinahe den Anschein, als ob das Neugeborene Wesen das Heimweh quasi als Bonus im Packet hat. Natürlich treten da viele Fragen zum Thema Kinderpflege und Kindererziehung auf, die auch in nichtinterkulturellen Familien ein Konfliktpotenzial darstellen, aber es gibt halt auch Angelegenheiten, die den gemeinsamen Tagesablauf betreffen und in diesem Sinne eigentlich gar nichts mit dem Kind zu tun haben. Auf einmal wird es wichtig gemeinsam zu frühstücken, und zwar bestimmt der erste, der aus dem Haus muss, die Uhrzeit, abends soll nicht mehr gekocht, sondern Abendbrot gegessen werden, ein Kind kann mit drei Jahren Fahrrad fahren, Sonntags geht man in die Kirche und abends gibt’s Tatort, irgendwoher muss man doch eine echte Tanne zum Weihnachtsfest bekommen und vor dem 23sten darf die natürlich nicht aufgestellt werden, der Sohn soll auf eine Musikschule gehen, es wäre schön den Tag gemeinsam mit einem Glas Rotwein ausklingen zu lassen, und so weiter, und so fort.
 
Leidtragend ist bei solch schlagartiger Verwandlung natürlich in erster Linie der kolumbianische Ehepartner, also meine liebe Frau; irgendwie hatte man doch schon ein Beieinander gebastelt: ein Dasein im Hier. Und nun soll ganz viel wie dort sein, also wie auf der anderen Seite des großen Teiches, und das Hiersein war eher eine Auszeit vom Dort Sein, und das Dasein wird neu definiert zwischen Hier- und Dort Sein, und plötzlich muss um die Werte des Hierseins gekämpft werden, sonst ist das Dasein nämlich ganz schnell ein Dort Sein, und, und ..., und jetzt schaut er auch noch beim Abwaschen die Tagesschau! 
 
<img src="Kultursalon/foto2-entrega9.jpg">
 
Was alles DA IST
foto: archivo personal
 
Ich sagte ja bereits, das ist ganz sicherlich kein einfaches Unterfangen, und ein allgültiges Rezept gibt es dafür wohl auch nicht. In jedem gescheiterten Versuch, einen interkulturellen Alltag zufriedenstellend und ohne Kollateralschäden zu gestalten, tröste ich mich mit dem Reziprokgesetz, denn wenn wir dort wären, könnte das Dort Sein, dann also das Hiersein, auch nicht ohne das Hiersein, in diesem Falle dann das Dort Sein, zu einem gemeinsamen Dasein führen. Es ist und bleibt ein „Leben im Ausnahmezustand“!

Rückwand, Eiserner Vorhang und links und rechts je drei Eingänge
wie definiert uns der Raum des künstlerischen Zusammentreffens
 
In Kolumbien existiert ein erstklassiger Berufszweig, der „Todero“. Schlägt man im Wörterbuch nach, so findet man die Übersetzung „Handwerker“, was allerdings den Kern der Beschäftigung überhaupt nicht trifft. Das Wort „Todero“ stammt vom Wort „todo“ – „alles“ ab, und so sind die „Toderos“ diejenigen, die Alles machen; ursprünglich findet diese Wortschöpfung natürlich ihren Gebrauch im Handwerksbereich, für Handwerker, die nicht nur die Wände mauern, sondern sie auch verputzen, die Stromleitungen und Wasserrohre verlegen, tapezieren, anstreichen, Holzwurm beseitigen, Teppich legen, Fenster verglasen, und vieles mehr, nichtsdestotrotz verwendet man hierzulande dieses Wort auch gern in anderen Bereichen, nämlich immer dann, wenn man auf Leute trifft, die vielseitig einsetzbar sind. Eines haben die meisten Toderos gemein, das wenigste von dem, mit dem sie ihren Lebensunterhalt verdienen, haben sie gelernt oder studiert, so dass die gelobte Vielseitigkeit unter anderem auch als Schimpfwort und Synonym für Stümper ihre Anwendung findet.
 
Das Letztere mal außer Acht gelassen, identifiziere ich mich nicht ungern mit dem Konzept des Toderos, es hat auch einige unbestrittene Vorteile, erstens ist es eine Möglichkeit im Bereich der darstellenden Kunst zu arbeiten und trotzdem seine Familie ernähren zu können, zweitens gestattet es mir einen sehr flexiblen und abwechslungsreichen Arbeitstag und drittens führt es unweigerlich zu einem interdisziplinären Verständnis, oder immerhin Beobachten. Vielleicht ist es auf den ersten Blick nicht einleuchtend, warum ein Schauspieler wissen sollte, welche Säule im Theater tragend ist oder aus welchem Holze die Zuschauerstühle geschnitzt sind, auf der anderen Seite wünschte man sich schon manchmal, dass der Architekt, der ein Theater entwirft einmal selbst ein Bühnenbild entworfen und auf die Bühne gebracht hat, oder doch zumindest ein regelmäßiger Besucher von Theaterstücken ist. 
 
In den letzten zehn Jahren, in denen ich in und ums Theater herum arbeite, meine ich eine Tendenz der Trennung beobachten zu können, eine Trennung von Theater und Architektur, dem eigentlichen Gebäude und seinen Eigenschaften, in dem getanzt oder dargestellt wird, ein Lösen der Beziehung zwischen Choreograph und Raum. Ich will diesen Trend weder kritisieren noch verteidigen, sondern lediglich mir diesem bewusst sein, um in den unterschiedlichen Bereichen meiner Arbeit darauf eingehen zu können, und zu interagieren. Es geht ja schlussendlich um Kommunikation, in der meiner Ansicht nach der Raum, den wir schaffen, eine entscheidende Rolle spielt. 
 
<img src="Kultursalon/foto1-entrega10.jpg">
 
Das Theater ODEON – eine Theaterruine im Zentrum Bogotás
Schauplatz für die Inszenierung des neuen Stückes von Laura Villegas „13 Sueños“
Premiere am 24 Juli 2013
Foto: archivo personal
 
Die Mehrzahl aller sich in Bogotá befindenden Theater wurden nach italienischer Vorlage gebaut und obwohl auch hierzulande die Theaterpraxis neue Wege eingeschlagen hat, findet man eher wenig Alternativen im Raumkonzept, ja es werden sogar lustig weiter Theatersäle mit Proszenium Öffnung gebaut (man besuche ‚Bellas Artes’ oder ‚Julio Mario’). Für diese architektonische Konvention fand der irische Theater Designer Sean Kenny einmal die missbilligenden Worte: „das Design einer mittelalterlichen Kirche“, ablehnend daher, da er meinte, der Zuschauer sollte nicht nur durch das, was er sieht, begeistert werden, sondern auch durch die Art, wie er es sieht. Aber heißt das dann, dass wir alle unsere mehr oder weniger funktionierenden Theater aufgeben sollen, vom ‚Gilberto Alzate’ im historischen Zentrum bis zur ‚Castellana’ im Norden der Stadt, vom ‚William Shakespeare’ bis zum ‚Teatro Libre’? Ich glaube nicht; es geht nämlich nicht allein um die architektonische Struktur des Raumes, sondern um die Praxis, wie ein Choreograph und oder das kreative Theaterteam die Raumbegebenheiten wahrnimmt und integriert – eine Beziehung zur Architektur knüpfen, um die Sichtweise und damit die Erfahrung des Publikums zu verändern.
 
Bei Kenny finden wir eine hübsche Geschichte aus seiner Kindheit in einem kleinen Fischerdorf im Westen Irlands. Eine alte, allein lebende Frau hatte sechzehn Stühle in ihrer Küche, des Nachts erzählte sie hier den Fischern des Dorfes eine Geschichte. Immer begann sie mit der Frage, was die Fischer denn an diesem Tage beim Fischen erlebt hatten, und so bediente sie sich des ganzen Raumes, einschließlich der Männer die um sie saßen, als Ausgangspunkt für ihre faszinierenden Erzählungen. 
 
Im zeitgenössischen Theater erleben wir das Ende des ‚Raumes als eine Manifestation’. Choreografen und Regisseure empfinden den Theaterraum als Plattform, um ihre Arbeiten zu präsentieren, anstatt ihn als Ausgangspunkt der Erzählung wahrzunehmen. Da ist natürlich grundsätzlich nichts Falsches dran, aber wir haben so weniger zu bieten in der Beziehung, die sich zwischen Werk und Raum bildet. In Kennys Erinnerung an die alte Frau war es kein sich andauernd verwandelnder Raum, der die Fischer begeisterte und sie jeden Abend erneut in die Küche lockte: es war das Gleichgewicht zwischen den Fischern, der Architektur und den Erzählungen, das den Akt ausmachte, eine sich immer wieder erneuernde Szene. Wenn wir an einem Tanzstück im Probenraum arbeiten, um es dann ‚heute hier morgen dort’ auf verschiedenen Proszenium Bühnen oder in Black Box Theatern zu zeigen, dann machen wir sicherlich auch ein Angebot an den Raum, aber dieses Angebot ist nicht in gleicher Weise akzeptiert.
 
Anstatt Beschränkungen und Möglichkeiten eines real existierenden Raumes zu erforschen und in das Stück mit einzubeziehen und die Arbeit beeinflussen zu lassen, geht man lieber von einer universellen Bühne aus und markiert mit Klebeband auf dem Fußboden Rückwand, Eisernen Vorhang und links und rechts je drei Eingänge. Manchmal scheint es, als ob die Architektur des Theaters wie ein Außenstehender ist, der unser Handeln diktiert. Das Handeln nach Formeln und das Erfüllen eines Richtmaßes, so ähnlich sagt Peter Brook, ist der sicherste Weg zum Tod des Theaters. Eine veränderte, gleichgewichtigere Beziehung zwischen Choreograph und Raum könnte uns von der Idee befreien, dass irgendwo irgendwer entdeckt und definiert hätte, wie man Theater zu machen hat. Beim Verlassen gewisser Vorlagen, entfernen wir uns gleichsam von einer Stelle, die wir mit dem Publikum geteilt haben, auf der anderen Seite bietet es uns neue Wege und Möglichkeiten die Begegnung mit ihm zu suchen.
 
<img src="Kultursalon/foto2-entrega10.jpg">
 
Das Theater ODEON
Foto: archivo personal
 
Einer dieser Wege eröffnet sich in eben der Verknüpfung von Theater und Architektur, da sie Schauspieler und Zuschauer physisch miteinander verbindet und einen echten Treffpunkt bildet. Der Raum der bei diesem Zusammentreffen entsteht ist nicht mehr der Raum der Interpretation des Tänzers oder der Raum der Wahrnehmung des Betrachters, sondern ein dritter Raum: ein Raum der Konstruktion, so wie die Fischer längst nicht mehr in der Küche der Alten sitzen. Als Lichtdesigner, Fotograf oder auch Tänzer ist es für mich unglaublich spannend, diese gemeinsame ‚Baustelle’ von Darstellern und Zuschauern zu suchen, weil sie mir eine Kommunikationsgrundlage schafft, die nicht überflüssig ist, die nicht rein ästhetischen Werten hinterhereifert und die nicht nur ihrer selbst willen existiert. Design und Fotografie dienen auf diese Weise einer bestimmten Aufgabe in der Verständigung, anstatt ein untergeordnetes Instrument im schöpferischen Prozess zu sein.
 
Als „Todero“ versuche ich gewisse Muster und Formeln in meiner Arbeit zu hinterfragen, versuche ein horizontal strukturiertes Theaterteam aufzubauen, das als einen möglichen Weg der Begegnung immer wieder den Raum der gemeinsamen Konstruktion sucht. Ich glaube es lohnt sich den Verlust des Gleichgewichts zwischen Darsteller, Publikum und Architektur zu erkennen, um sich auf eine neue, andere Art und Weise mit dem Theaterraum auseinanderzusetzen, und so eine faszinierende und gewinnende Brücke der Verständigung zu bauen.

Was ich noch zu sagen hätte, dauert … und dauert … und …
 
Und schon wieder gab es so einen Samstag im Juni, diesmal ging die Reise jedoch nicht ans Meer, sondern an den Rio Magdalena, um für eine neue Theaterproduktion das Strömen des Stroms zu filmen. Ein hübscher Ort für solch Unternehmen ist Guataquí, ein verschlafenes Dörfchen am Ostufer des Flusses ca. 45 min nördlich von Giradot.
 
<img src="Kultursalon/imagen1-entrega12.jpg">
 
Guataquí, 2013
Foto: archivo personal
 
Nun könnte man im eigenen Auto die Strecke gut und gerne in sieben Stunden hin und zurück, das Filmen mit eingeschlossen, bewältigen, aber wenn einem wie mir schon zweimal das Auto wegen überhitztem Motor und Bremsen am bergigen Wegesrand liegen geblieben ist, dann nimmt man gern das Angebot des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs wahr; nur das man in diesem Falle von deutscher auf kolumbianische Zeitrechnung umstellen muss. Ich will das kurz erklären: die Überlandbusse in Kolumbien sind eigentlich ganz normale Reisebusse und die hiesigen Busfahrer treten trotz engen Serpentinenstraßen sehr gern aufs Gas, fahren also wie die Henker, so dass weder das eine, noch das andere Grund der wahrgenommenen Zeitverschiebung sein kann. Nein, der kolumbianische Nah- und Fernverkehr ist nicht langsam, er hat Startschwierigkeiten. 
 
Und am erwähnten Samstag war das irgendwie ganz besonders deutlich spürbar. Hauptgrund ist natürlich in erster Linie das Problem, den Bus voll zu kriegen, und so standen wir schon gut 20 min auf dem Busbahnhof von Giradot, fertig zur Weiterfahrt nach Guataquí, und konnten den Busjungen, eine Mischung aus Kofferträger – GPS – und Marktschreier, beobachten, wie er versuchte die Menge auf andere Busse Wartender davon zu überzeugen, doch einmal das sehenswerte Guataquí zu besuchen. Das klingt irrsinnig, aber das Verrückte ist, dass manchmal nach 10-15 min plötzlich jemand von seiner Bank aufsteht und in unseren Bus einsteigt, als ob der Plan, am Flussufer des Magdalena bei 40 Grad im Schatten zu verdursten, ihn nun doch überzeugt hätte. Nun will der Busfahrer schon beinahe den Schlüssel umdrehen, da fällt jemandem ein altes Mütterchen ein, dass auf ihren Enkel aus Bogotá wartet und doch auch in unsere Richtung wollte. Also rennt der Busjunge schnell zur anderen Seite des Busbahnhofs, dort wo die Busse aus der Hauptstadt ankommen, um dieses alte Weib zu suchen und zur Eile anzutreiben. Das Mütterchen samt Enkel kommt, der Busjunge bleibt aus, wahrscheinlich sind sie aneinander vorbeigelaufen und er sucht sie immer noch verzweifelt – soll ich vielleicht nochmal loslaufen, um nunmehr den Busjungen zu suchen? – ich entscheide lieber meinen Platz zu hüten und zu warten! – es geht auf Mittag zu.
 
Ich wäre beinahe eingedöst, da geht es plötzlich doch noch los, zumindest ein paar Straßenzüge, dann ruft nämlich jemand „PAN“ (Brot), der Bus hält an der nächsten Ecke und gut die Hälfte der Fahrgäste drängelt sich in eine vollkommen überfüllte Backstube, um ihren Wochenvorrat an Backwaren zu kaufen. Man kann von Glück reden, dass es anscheinend Fisch und Fleisch im Dorf zu kaufen gibt, sonst wäre ich wohl nie am Magdalena Fluss angekommen! Die hier beschriebenen Startschwierigkeiten multiplizieren sich natürlich je ländlicher der Ausgangsort ist, so mussten wir, um die Rückreise anzutreten, in Guataquí zuerst einmal das Haus der Mutter eines Mädchens namens Sandra suchen, dann stand Onkel John Jairo noch unter der Dusche, Opa Pacho wollte sich noch von seinen Enkelinnen im Pool verabschieden (da drehen wir doch alle gern mit ihm die Runde zum Dorfschwimmbad) und eine sogenannte Yanira musste noch schnell einen Fisch ausnehmen, den sie dem Busfahrer für wieder einen anderen Busfahrer, wohl ihren Liebhaber, mitgeben wollte. Erschöpft, und doch um einige lokale Erfahrungen reicher, kam ich nach 15 Stunden Busreise wieder daheim an – was für ein Samstag.
 
Aber es geht hier gar nicht um eine Samstagserschöpfung oder die Frage, ob John Jairo lieber den nächsten Bus hätte nehmen sollen, es geht vielmehr um ein grundverschiedenes Zeitverständnis, mit dem man tagtäglich konfrontiert wird, und das vielleicht einen der größten kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Kolumbien darstellt. Manchmal hat man das Gefühl, in Kolumbien wurde unser altes Sprichwort einfach auf den Kopf gestellt: „Was ich tun kann auch morgen, warum heute mich schon sorgen.“, oder so ähnlich. Spannend ist für mich die Selbstbeobachtung in Bezug auf das Thema Zeit, während andere Kulturunterschiede mich zum Schmunzeln bringen, bringt mich das hiesige Zeitverständnis auf die Palme, und ich bin nun weiß Gott kein penibler Mensch, was Fragen der Pünktlichkeit anbelangt. Schnell fallen einem dann die üblichen Worte ein, wie „unzuverlässig“, „in den Tag reinleben“, „bequem und Bummelei“, etc., aber all das ist vollkommen falsch und nach nunmehr neun Jahren des Hierlebens sollte ich es doch endlich besser wissen: die Verbindlichkeit in einem zwischenmenschlichen Unternehmen drückt sich in diesem Land nicht auf der Zeitachse aus, das heißt, „unpünktlich“ zu sein ist kein Indiz für den Mangel an Bereitschaft, auch wenn meine kolumbianischen Kollegen, nördliche Kulturen als Idealbild anstrebend, sich oft selbst stark kritisieren. 
 
Vielleicht erscheint es mir deshalb als einer der größten Unterschiede, weil das Zeitverständnis einer Kultur so tief verwurzelt ist und so schwer zu überwinden ist; und während eine kolumbianische Busgesellschaft so ganz gegen ihre Natur versucht, einen Fahrplan auszudrucken, bin ich der Einzige im Autobus, der während unserer Runde zum Dorfschwimmbad innerlich kocht, obwohl ich doch gar keinen Termin habe, der mich zeitlich irgendwie bindet. 
 
Zeit, Wahrnehmung des Anderen, Raum, Politik, Orte, Freundschaften, und ... und ... und ..., der vorliegende Text bildet das Schlusslicht einer Reihe von zwölf Artikeln, in denen ich immer wieder versucht habe, über das Leben in einer anderen Kultur nachzudenken. Sicherlich ist es mir nicht jedes mal geglückt, dabei gerecht zu sein, und vielleicht fühlte sich der ein oder andere Leser an einigen Stellen verletzt, aber es ging mir in keinem Moment darum zu nörgeln oder meinem Unmut freien Lauf zu lassen, trotzdem führt einen das Leben zwischen zwei Welten oft an Punkte des Unverständnis oder des „nicht zu Hause Fühlens“. Für mich war die Einladung des Goethe Instituts, an diesem Blog mitzuwirken, eine große Bereicherung und eine Chance, viele Fragen in Bezug auf mein Dasein und künstlerisches Wirken als Deutscher in Kolumbien neu zu stellen, und auf eine andere Art und Weise zu beantworten. So möchte ich ganz herzlich dem Goethe Institut für das Schaffen des Kultursalons und natürlich meine Einladung danken, meinen Mitschreibern für einige sehr aufschlussreiche und Perspektiven verändernde Texte und natürlich allen Lesern, die vielmehr kommentieren sollten, um diesen Kultursalon zu einer Plattform wirklichen Kulturaustausches zu machen. 
 
<img src="Kultursalon/imagen2-entrega12.jpg">
 
Guataquí, 2013
Foto: archivo personal
 
Und als der Strom nun so strömte und meine Kamera dies für eine geraume Zeit filmte und ich derweilen ziemlich nutzlos auf den Fluss starrte, da kam mir noch so eine abschließende Frage in den Sinn: „Wie sähe ein Foto Andreas Gursky’s vom Magdalena Fluss aus?“